Gesundheitssystem der Niederlande

Während in Deutschland seit Jahren über eine grundlegende Reform der gesetzlichen Krankenversicherung diskutiert wird, ist in den Niederlanden bereits zum 1. Januar 2006 ein von Grund auf umgestaltetes Versicherungsmodell in Kraft getreten. Kern der Reform war die Umwandlung des dualen Systems von privater und gesetzlicher Versicherung in eine einheitliche Pflichtversicherung für alle Bürger. Der Leistungskatalog der Pflichtversicherung umfasst eine gesetzlich genormte Basisversorgung und ist daher bei allen Kassen identisch. Der persönliche Beitrag der Versicherten ist einkommensunabhängig – es gibt eine Kopfpauschale. Die Kassen haben aber einen gewissen Spielraum bei der Festsetzung der Höhe der Kopfpauschale.

Details der Kopfpauschale

Beitragspflicht besteht für jeden Erwachsenen. Die Kopfpauschale beläuft sich jährlich auf rund 1100 Euro je Beitragszahler. Versicherte bis 18 Jahre sind von der Zahlungspflicht ausgenommen. Der Krankenkassenbeitrag für Minderjährige wird aus Steuermitteln aufgebracht. Als zweite Säule der Krankenkassenfinanzierung wird zusätzlich ein einkommensabhängiger Krankenkassenbeitrag erhoben. Er berechnet sich anteilig auf das Arbeitseinkommen des Versicherten. Seit 2008 liegt der Satz bei 7,2 Prozent des Einkommens mit einer Beitragsbemessungsgrenze von 32369 Euro pro Jahr. Die Arbeitgeber sind verpflichtet den einkommensabhängigen Beitrag den Arbeitnehmern zu erstatten. Der Arbeitgeberanteil wird daher auf den Lohn des Arbeitnehmers aufgeschlagen, der ihn an die zuständige Behörde überweist. Die Kopfpauschale wird direkt an den Träger der Krankenversicherung überwiesen.

Kopfpauschale und Selbstbeteiligung

Zusätzlich zur Kopfpauschale gibt es auch eine verpflichtende Selbstbeteiligung der Versicherten an den Behandlungskosten, die seit 2008 bei 150 Euro pro Jahr liegt. Mit einer ergänzenden freiwilligen Selbstbeteiligung von 100 bis 500 Euro pro Jahr können Versicherte darüber hinaus ihren monatlichen Pauschalbetrag reduzieren. Eine tatsächlich einheitliche Kopfpauschale gibt es daher nicht im niederländischen System. Der Beitragshöhe schwankt wegen der individuell vereinbarten Selbstbeteiligung und den Preisunterschieden zwischen den verschiedenen Versicherungsanbietern deutlich.

Kopfpauschale und Sozialausgleich

Ähnlich wie bei den Plänen der Bundesregierung angedacht, gibt es auch im niederländischen System einen staatlich finanzierten Sozialausgleich. Die Höhe des Zuschusses richtet sich nach dem persönlichen Einkommen und ist auf die einheitliche Kopfpauschale bezogen. Erstattet wird der Betrag, der oberhalb einer festgesetzten Unzumutbarkeitsgrenze liegt. Für die Prüfung und Gewährung der Zuschüsse wurde eine neue Stelle bei der Steuerbehörde eingerichtet. Einkommensschwache Bürger müssen einmal im Jahr einen Antrag stellen und dabei ihr für das kommende Jahr geschätzte Einkommen angeben. Ein monatlicher Zuschuss wird dann auf dieser Rechnungsgrundlage gewährt.

Kopfpauschale und Versicherungs-Leistungen

Mit Einführung der Kopfpauschale wurde der Leistungskatalog auf eine Grundversicherung reduziert, die bei allen Versicherungsanbietern identisch ist. Aus dem Leistungskatalog gefallen sind dabei Behandlungen beim Zahnarzt oder beim Physiotherapeuten. Entsprechende Leistungen müssen seitdem aus eigener Tasche gezahlt werden oder als zusätzliche Versicherung abgeschlossen werden. Über 90 Prozent aller Niederländer sollen bereits mindestens eine Zusatzversicherung abgeschlossen haben. Letztlich bedeutet dies aber auch, dass der allgemeine Bedarf an Versicherungsleistungen durch die Pflicht-Grundversicherung nicht mehr gedeckt wird.

Trotz der Reformen des Gesundheitssystems kann das niederländische Modell mit den Kostensteigerungen nicht Schritt halten. Der Arbeitgeberanteil von anfänglich 6,5 Prozent des Arbeitnehmergehalts im Jahr 2006 wurde bis heute auf 7,2 Prozent erhöht. Eine Abkopplung der Lohnnebenkosten von der Entwicklung der Gesundheitskosten konnte nicht aufrecht erhalten werden. Darüber hinaus wird eine Erhöhung der jährlichen Selbstbeteiligung diskutiert, die selbst erst im Jahr 2008 eingeführt und auf 150 Euro pro Jahr festgelegt wurde. Eine Sachverständigenkommission hat im Jahr 2010 zur Einbremsung des Defizits des niederländischen Haushalts eine drastische Erhöhung der Selbstbeteiligung vorgeschlagen. Die finanziellen Herausforderungen einer gesetzlichen Pflichtversicherung können daher mit einem Kopfpauschalen-Modell alleine nicht bewältigt werden. Mehr Wettbewerb zwischen den Versicherungsanbietern, mehr Transparenz und eine verbesserte Vergleichbarkeit der Angebote für die Versicherten sind jedoch feststellbar.



 
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