Gewerkschaften: Kopfpauschale laut DGB wie Hartz 4

Die Gewerkschaften lehnen die Kopfpauschale als Reform der gesetzlichen Krankenversicherung vehement ab. So haben viele bekannte Gewerkschaftsvertreter eine Petition der SPD gegen die Einführung einer Kopfpauschale unterschrieben. Zu den Erstunterzeichnern gehören etwa der Ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske, der Vorsitzende der IG BAU Klaus Wiesenhügel und auch Konrad Freiberg, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP).

Im Fokus der Kritik der Gewerkschaften an der Kopfpauschale steht insbesondere das geplante Einfrieren des Arbeitgeberanteils an den Kosten der Krankenversicherung. Durch einen dauerhaft festgesetzten Arbeitgeberanteil sehen die Gewerkschaften die ohnehin schon eingeschränkte paritätische Finanzierung der GKV zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern vor dem Aus. Die Festsetzung des Arbeitgeberanteils befreie Arbeitgeber vor der zu erwartenden Steigerung der Gesundheitsausgaben und belaste einseitig die Arbeitnehmer mit den Kostensteigerungen.

Ein weiterer zentraler Kritikpunkt der Gewerkschaften ist die einkommensunabhängige Höhe der Kopfpauschale. Ein Einheitsbeitrag für alle Versicherten sei unsozial und belaste vor allem geringe Einkommen. Der geplante Sozialausgleich sei nicht zu finanzieren und mache Millionen Menschen, insbesondere Rentner und Geringverdiener, zu Bittstellern beim Staat. In diesem Zusammenhang spricht DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach auch von einer „Verhartzung“ der Krankenversicherung durch die Kopfpauschale. Millionen Bürger müssten sich einer Bedürftigkeitsprüfung unterziehen, um Leistungen zu erhalten.

Statt einer Kopfpauschale fordert der Vorsitzende der IG BAU Klaus Wiesehügel die Rückkehr zur vollen paritätische Beteiligung der Arbeitgeber, die Rücknahme des Arbeitnehmer-Sonderbeitrags von 0,9 Prozent, sowie die Rücknahme der Praxisgebühr und der Zusatzbeiträge. Die Gewerkschaft ver.di macht sich für das Krankenversicherungs-Modell der Bürgerversicherung von SPD, Bündnis 90/die Grünen und den Linken stark. Ein pauschaler Beitrag für alle Krankenkassen-Mitglieder wie es die Kopfpauschale vorsieht, brächte letztlich nur mehr Ungerechtigkeit in das Gesundheitssystem.

Parallel zur Regierungskommission unter dem Vorsitz von Bundesminister Rösler, die derzeit ein Reformkonzept ausarbeitet, hat der DGB eine eigene Reform-Kommission einberufen. Die DGB-Kommission „Für ein solidarisches Gesundheitssystem der Zukunft“ hat Anfang März 2010 ihre Arbeit aufgenommen. Spitzenvertreter der Sozial-, Wohlfahrts-, Frauen- und Jugendverbände sowie ein wissenschaftliches Expertengremium der Hans-Böckler-Stiftung nehmen an der Initiative teil. Im Rahmen der Kommission soll die Gestaltung der künftigen Finanzierung der Krankenversicherung in Deutschland erarbeitet werden. Das Gremium will Ende Oktober alternative Konzepte vorlegen.

Ebenfalls auf Initiative des DGB hat sich am 27. April 2010 das Aktionsbündnis "Köpfe gegen Kopfpauschale" gegründet. Dem Bündnis gehörten am Gründungstag neben dem DGB und den Mitgliedsgewerkschaften weitere 16 Verbände an - darunter insbesondere Wohlfahrts-, Sozial-, Frauen- und Jugendverbände. Erklärtes Ziel des Aktionsbündnisses ist es, die gesellschaftliche Ablehnung gegen die Kopfpauschale zu bündeln und in eine Bürgerbewegung zu formen. Dabei stützt sich das Aktionsbündnis auf ein gemeinsames Mitglieder-Potential von 25 Millionen Menschen, deren Anliegen das Bündnis beansprucht zu vertreten. Das Bündnis betrachtet sich als parteiunabhängig, jedoch sind zahlreiche Führungskräfte der SPD an dem Aktionsbündnis beteiligt - darunter Andrea Nahles, Sigmar Gabriel, Hannelore Kraft, Klaus Wowereit, Olaf Scholz, Manuela Schwesig, Elke Ferner, Karl Lauterbach.